AUF  ZU NEUEN UFERN? - Made in Fernost

Der Toys Report und was er bewirken konnte

Brettspiele mit Kolonialismus, Sklavenhandel oder Unterdrückung von Minderheiten, sind nicht mehr en vogue. Dies wurde zum Beispiel bei Spielen wie Mombasa und Five Tribes diskutiert. Umweltthemen werden besprochen und beim Weglassen einer Plastikfolie um das Spiel klatscht die Szene und jubelt über den errungenen Sieg für den Umweltschutz. Ob dies nachhaltiger ist, darf hinterfragt werden. Wenn die Ware dadurch Schaden erleidet und entsorgt werden muss, ist der Umweltschaden um ein Vielfaches grösser.
 
Wie tief aber gehen die Überlegungen der Spieler wirklich? Wird beim Erwerb des Produktes nicht nur den anderen auf die Finger geschaut, ob sie es richtig gemacht haben? Sind wir selbst bereit, bei unserem Konsumverhalten etwas zu ändern? Stellen wir den Verlagen und Produzenten die richtigen Fragen oder pochen auf die wichtigen Entwicklungen, welche aktuell am dringendsten nötig sind?

Im Dezember ist er wieder erschienen. Der Toys Report. In deutscher Sprache. Für jeden zugänglich. Habt ihr nichts gehört? Er ist kein Thema in der Szene. Tatsächlich tragen wir hier Mitverantwortung an den Lebensumständen von anderen Menschen. Hier und jetzt!

Folgende Themen werden im Bericht angesprochen:
 
·         Exzessive/obligatorische Überstunden
 
·         Unzureichender Arbeitsschutz
 
·         Mangelhafte Arbeiter*innen-Vertretung
 
·         Schlechte Lebensbedingungen
 
·         Keine Gesundheitsprüfung
 
·         Mangelhafte Sozialversicherungen
 
·         Keine wirksamen Beschwerdekanäle
 
·         Kein existenzsichernder Lohn
 
·         Misshandlungen und psychische Gewalt
 
·         Diskriminierung und sexuelle Belästigung
 
Viele der Missstände, von welchen die Arbeitnehmer*innen betroffen sind, erinnern an die Sklaverei. Diese Arbeitsbedingungen mussten aber Menschen erleben, welche die Spiele produziert haben, welche bei uns im Gestell stehen. Und sie müssen dies weiterhin ertragen.
 
Historische Aufarbeitung, zum Beispiel der Sklaverei, ist aus folgenden Gründen wichtig:
 
·         Noch bestehende Missstände sollen nach Möglichkeit ausgeglichen oder zumindest bekämpft werden
 
·         Die Menschheit soll daraus lernen, um dieselben Fehler nicht erneut zu begehen.
 
 
Wenn das Bewusstsein bei historischen Themen und deren Aufarbeitung in der Szene so gut verankert ist, muss die Spieleszene bei den aktuellen Arbeitsbedingungen handeln.
 
Im Toys Report wird in diesem Jahr speziell auf die Situation in den Fabriken von Matel hingewiesen. Davon auszugehen, dass es nur diese Firma betrifft, ist aber naiv. In den vergangenen Jahren erschienen auch Marken wie Schleich und Ravensburger im Report.  Die Arbeitsbedingungen in der Spielzeugindustrie in China und vermehrt auch in Vietnam sind mit denen in der Textilbranche gleichzustellen und auf der untersten Stufe aller Produktionsbetrieben in Fernost. Was bringt der Toys Report also? Ändert sich etwas bei Matel, Schleich oder Ravensburger? Was braucht es, damit hier die nächsten Schritte folgen?
  
Ja, es bewegt sich etwas. Ein Samen der Hoffnung konnte gesetzt werden und ist bereits gekeimt. Die FAIR TOYS ORGANISATION wurde gegründet und lädt zum Einsteigen ein.
 
Wer ist die Organisation und was will sie?
 
Die Fair Toys Organisation e.V. (FTO) wurde am 14. Juli 2020 in Nürnberg als Multi Stakeholder-Initiative mit Mitgliedern der Spielwarenbranche und der Zivilgesellschaft gegründet.
 
Ziel ist die Entwicklung und Vergabe eines Siegels, das glaubwürdig für eine faire und umweltfreundliche Spielwarenproduktion steht.
 
Das der Multi-Stakeholder Ansatz aus Handel, Verbände, Produktion, Gewerkschaften, Kirchen & Kommunen und NGOs nicht nur eine Floskel ist, wird bei der Besetzung des Vorstandes deutlich.
 
  • HABA Group B. V. GmbH & Co. KG: Verena Bammert
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  • HEUNEC, Plüschspielwarenfabrik GmbH & Co.KG: Barbara Fehn-Dransfeld
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  • sigikid, H.Scharrer & Koch GmbH & Co.KG: Axel Gottstein
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  • Zapf Creation AG: Thomas Eichhorn
 
stellen auf Seiten der Spielwarenbranche Vertreter
  • Christliche Initiative Romero e.V.: Maik Pflaum
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  • Katholische Arbeitnehmer Bewegung Diözesanverband Eichstätt e.V.: Kurt Schmidt
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  • Mission Eine Welt: Dr. Jürgen Bergmann
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  • Nürnberger Bündnis Fair Toys: Helga Riedl
 
sind die Vertreter der Zivilgesellschaften.
 
Und damit sind nun die Probleme gelöst? Nein, natürlich nicht. Die grosse Arbeit steht noch bevor.
 
In einem Beitrag von ZDF heute hält Herr Pflaum, Vorstandsmitglied (Christliche Initiative Romero e.V.) fest: Man kann Unternehmen mit verzweigten internationalen Lieferketten nicht in einem Jahr seriös zertifizieren. Diese Prozesse können mehrere Jahre dauern.
 
Auch beim Vorliegen des Zertifikats werden weiterhin viele Kontrollen nötig sein und bei Verstössen von Seiten der Fabriken müssen Korrekturen verlangt werden. Es ist der Beginn eines Prozesses, der für die Mitglieder viel Arbeit mit sich bringt und nie ganz abgeschlossen sein wird. Freuen wir uns darüber, dass die ersten Schritte getan wurden.
 
Besonders freut mich, dass auch zwei Grössen aus der Brettspielwelt schon von Anfang an mit an Bord sind: HABA und KOSMOS sind trotz noch geringer Medienaufmerksamkeit schon jetzt dabei und gestalten somit aktiv die Zukunft für fair produzierte Spiele mit! Bei diesen Verlagen kann man jetzt schon sagen, dass ihnen die Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten wichtig ist und sie bereit sind, in Schulungen und Kontrollen zu investieren.
 
Wir Kunden können diese Entwicklung begleiten, indem wir diese Verlage unterstützen und entsprechend positives Feedback geben. Bei den anderen Verlagen kann man nachfragen, welche Massnahmen diese betreffend der Arbeitszustände in Asien ergreifen werden und wie sie Minimalstandards gewähren können. Es liegt auch an uns, ob wir bereit sind für die Spiele einen fairen Preis zu bezahlen und vielleicht in einem Jahr nicht mehr gleich viele Spiele erwerben zu können wir früher. Vieles ist aufgegleist aber am Ende machen wir alle gemeinsam den Unterschied.
 
Die Pioniere
 
Weil es Pioniere sind und mit einem grossen Dankeschön möchte ich hier alle aktuellen Mitglieder auflisten, wie sie auch auf der Seite Fair-Toys.org zu finden ist:
         
   
 
Fördermitglieder:
Spielzeugmuseum Nürnberg