Made in China
Wie ein Brettspiel entsteht
2. Teil
Interview mit Herrn Peter Willy Gygax, CEO der Carletto Gruppe
Spielejoker: Guten Tag Herr Gygax. Vielen Dank, dass Sie sich für meine Fragen Zeit nehmen. Aufgrund des Toys Report 2018 beschäftige ich mich mit den Arbeitsbedingungen in China. Die christliche Initiative Romero arbeitet an einem neuen Label für faires Spielzeug. Wie steht Ihr Betrieb zu einem solchen Projekt? Können Sie sich vorstellen, die Bedingungen für ein solches Lable zu erfüllen?

Peter Gygax: Ohne genauere Angaben ist dies schwierig. Natürlich sind wir bereit dies zu prüfen, wenn die Arbeiten daran abgeschlossen sind. Auch für uns ist wichtig, dass die Arbeiten in China sozial- und umweltverträglich durchgeführt werden.
 
Aktuell setzen wir dabei auf eine enge persönliche Zusammenarbeit und regelmässige Besuche vor Ort. Nach Möglichkeit schauen wir auch an allen Produktionsstandorten vorbei. Natürlich sind die Besuche angemeldet. Man muss sich in China anmelden wenn man ein Audit in den Fabriken vornehmen möchte.
 
Wir pochen immer auch darauf, dass die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in den Fabriken möglichst fair sind und die Arbeitssicherheit eingehalten werden, Kinderarbeit tolerieren wir nicht. Gewisse Forderungen, welche aus den Menschenrechten abgeleitet werden, können natürlich nicht garantiert werden, da diese im politischen System des Landes verankert sind. So kann die Wirtschaft nicht auf Rede- und Versammlungsfreiheit pochen. Diese Themen sind schwierig. Diesbezügliche Änderungen müssen über den politischen Weg angesprochen werden.

Spielejoker: Wenn ich Space Escape von Game Factory (Teil der Carletto Gruppe) anschaue, steht da Made in China drauf. Liegt dies an den Figuren?
Peter Gygax: Es gibt verschiedene Gründe, weshalb in China produziert wird. Tatsächlich sind die Plastikfiguren eine der möglichen Faktoren. Für die Game Factory war dies aber nicht der entscheidende Punkt. Es lag vielmehr daran, dass die Game Factory die Lokalisierung des Spiels im deutschen Sprachraum übernommen hat. Der Verlag Peaceable Kingdom, welcher das Spiel herausgebracht hat, hat sich für China entschieden. Es ist üblich, dass die Lokalisierungen am selben Ort produziert werden. Sämtliches Spielmaterial, welches sprachunabhängig ist, kann folglich in grösseren Stückzahlen produziert werden. So sinken die Produktionskosten. Tatsächlich muss man bei der Wahl seiner Partner darauf schauen, dass die Ansprüche an die Qualität des Produktes und an die Standards einer Produktion mit den eigenen übereinstimmen – wir tun dies.
 
Gründe, um in China zu produzieren, können Miniaturen sein. Aber auch Kartonagen, welche nicht handelsüblich sind, mit speziellen Stanzformen zum Beispiel, werden fast ausschliesslich in China hergestellt. Der Preis spielt dabei nicht mehr die grösste Rolle. Dort kennt man die Technik und sie haben das Werkzeug, um spezielle Stanzbögen anzufertigen. Viele Produkte, welche wir in China herstellen lassen, können in Europa nicht mehr oder konnten noch nie hergestellt werden. Wer beispielsweise ein Pop-Up Buch auf den Markt bringen will, wird dieses unweigerlich in China produzieren lassen, da bei uns die geschulten Mitarbeiter und die Technik einfach fehlen.

Ohne das Problem der Billigproduktion schön reden zu wollen, möchte ich doch auch eine Lanze für die Produktion in China brechen. Die Betriebe, welche solche besonderen Produkte herstellen, benötigen geschulte Mitarbeiter damit die Qualität stimmt. Ein Hersteller hat kein Interesse, viel Zeit und Geld in die Ausbildung zu investieren und das Personal dauernd zu ersetzen.
Deshalb hat in vielen Betrieben Chinas diesbezüglich ein Umdenken begonnen. Entsprechend steigen auch die Preise für die Produktion in China. Es gibt günstigere Möglichkeiten, ein Produkt herzustellen als dort. Auch in China hat man dies bereits festgestellt. Deshalb investiert China aktuell auch viel in Afrika. Dort wären die Produktionskosten tiefer und gibt es allenfalls noch mehr Rohstoffe.

Alles in allem steigt auch die Kaufkraft der Bevölkerung in China und die Armut nimmt ab. Natürlich entschuldigt dies aber nicht die Missstände in den Spielzeugfabriken.

Spielejoker: Wie sieht es denn ökologisch aus?

Peter Gygax: Wenn wir zum Beispiel bei den Kartonagen schauen, gibt es Fragezeichen. So werden diese in Regionen gefertigt mit einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit. Damit diese Kartonagen trocknen können, braucht es grosse Trocknungsräume, die viel Energie benötigen. Dazu kommt noch der Transport nach Europa oder Übersee. Diesbezüglich gibt es sicher noch viel Potenzial für eine umweltverträglichere Produktion.

Spielejoker: Seit einiger Zeit kommen auch Kopien von Spielen auf den Markt. Besteht nicht die Gefahr, dass die Fabriken mehr Spiele produzieren und diese danach über andere Kanäle nach Europa verkaufen?

Peter Gygax: Ich habe es bislang einmal erlebt, dass ein Spiel in unserer Schachtel auf einem Markt in Asien angeboten wurde. Den Verkäufer habe ich auf das Spiel angesprochen. Er hat sich darüber gefreut, dass mir die Schachtel so gut gefällt. Ich war eher geschmeichelt als böse und habe den Verkäufer auch nicht über die Kopie Verpackung informiert. Der Hersteller hatte wohl noch einen Restposten und hat diesen anderweitig verwertet.

Spielejoker: Auf Alibaba (Versand) findet man aber diverse Spiele, welche kopiert werden.

Peter Gygax: Das ist natürlich ein Problem. Ob die Spiele an dem Ort ihrer Herstellung auch kopiert werden, ist mir nicht bekannt. Tatsächlich ist es aber interessant, dass wir bei den Spielwaren, welche bei uns verkauft werden, sehr hohe Anforderungen ans Material und an die Verarbeitung haben. Gleichzeitig wird immer mehr Spielzeug, auch für kleine Kinder, direkt in China bestellt, ohne dass diese auf Schadstoffe kontrolliert werden. Da gibt es noch erheblichen Nachholbedarf. Auch beim Urheberrecht, das wir im Unternehmen nach europäischen Regularien umsetzen, gibt es zwingenden Handlungsbedarf.

Spielejoker: Ist es aus ihrer Sicht möglich im Ausland, sozialverträglich, sozial und ökologisch zu produzieren?

Peter Gygax: Es gibt hier ein sehr positives Beispiel. tegu produziert hochwertige magnetische Bausteine aus Holz. Das Produkt wird in Honduras hergestellt. Das Augenmerk liegt auf einem langfristigen Engagement für die Angestellten, umweltverträgliche Rohstoffe wie Holz aus nahen Wäldern und der Qualität des Produktes. In diesem Fall handelt es sich um ein Spielzeug und es ist noch eine Nische. Tatsächlich muss man einen wesentlich höheren Preis für dieses Produkt bezahlebezahlen. Doch es gibt Kunden, welche bereit sind diesen Preis zu bezahlen. Mir liegt dieses Projekt sehr am Herzen.

Spielejoker: Vielen Dank für das interessante Gespräch.  

Carletto vertreibt Spielzeug und Spiele in Europa mit Hauptsitz in der Schweiz und einer Niederlassung in Deutschland und Hong Kong und beschäftigt über 80 Mitarbeiter. Unter dem Dach von Carletto finden sich auch die beiden Eigenmarken Artista und Game Factory. Game Factory ist ein Spieleverlag mit Eigenproduktionen sowie Lokalisationen und bekannt für Spiele wie Klask, Doodle Rush oder Space Escape.